REICHTUM | | 49 Hier ist nun womöglich der Moment gekom- men, an dem wir auf die Eingangsfrage zu- rückkommen sollten: Wie reich sind wir wirklich? Die schlichte Antwort: unermess- lich. Denn es geht hier wie erwartet nicht um materielle Werte, sondern um unsere Fähigkeit zu denken, zu fühlen, zu handeln. Das klingt banal? Ist es vielleicht sogar. Des- halb ist es aber nicht weniger wahr. Wie sagte schon der Kleine Prinz: Nur mit dem Herzen sehen wir gut. Denn es lässt sich nicht von Äußerlichkeiten blenden. Wenn wir sagen, jemand habe „ein gutes Herz“ oder „das Herz am rechten Fleck“, dann meinen wir nicht, dass er körperlich gesund ist. Wir meinen, dass er aufrichtig ist, mitfühlend, integer, besonnen, wohlwollend. Er stellt seine Be- dürfnisse nicht über die anderer, kann zu- hören, vermitteln, verzeihen. Und all das ist es, was wahre Größe – oder anders gesagt: inneren Reichtum – ausmacht. Von solchen Menschen brauchen wir mehr, sie sind die Vorbilder, die es uns und unseren Kindern ermöglichen, den richtigen Weg – oder einen der vielen richtigen Wege – zu erkennen. Doch woher sollen wir sie neh- men, sie wachsen ja leider nicht auf Bäumen. Dafür gibt es nur eine Lösung: Wir müssen selbst zu Vorbildern werden. Das geht. Vielleicht nicht von heute auf morgen, aber es geht. Wir müssen lernen, unsere Stärken zu schätzen und unsere Schwächen anzu- erkennen (und nicht zu überspielen). Wir müssen aufhören, uns für unsere Gefühle zu schämen oder sie zu unterdrücken und an- fangen, sie angemessen zu äußern. Wir So banal wie wahr: Der Reichtum liegt in uns müssen uns für andere öffnen, ihnen zuhö- ren, ihre Sorgen ernst nehmen. Wir müssen unsere Positionen klar und deutlich formu- lieren, ohne unsere Mitmenschen vor den Kopf zu stoßen. Wir müssen auch im Kon- fliktfall im Gespräch bleiben, dem anderen deutlich machen, dass er als Mensch wert- geschätzt wird, auch wenn seine Haltung oder seine Handlung uns nicht gefällt. Und wir müssen anerkennen, dass alle Menschen gleichwertig sind, ausnahmslos. Dass jeder dasselbe Recht auf eine friedliche Existenz hat – aber nicht jeder das Glück, in eine freie und wohlhabende Gesellschaft wie unsere geboren worden zu sein. Wofür wir auch ein- fach mal dankbar sein dürfen. Und gerade weil die Welt immer komplexer zu werden scheint, niemand mehr alles überblicken kann, keiner mehr die generelle Heilslösung bringen kann und wir auf viele Geschehnisse in der Welt keinen Einfluss nehmen können, gerade deshalb müssen wir es im Kleinen tun. Dort wo wir leben, handeln, denken, dort wo wir sind. Jeder von uns ist umgeben von Menschen, mit denen er wechselwirkt. Wie er das tut, aus welcher Haltung heraus und mit welcher Intention, das entscheidet er selbst!